Benutzerfreundlichkeit
Damit Menschen Technologien überhaupt einsetzen wollen und können müssen sie die Technologie akzeptieren. Diese so genannte Technologieakzeptanz hängt in Anlehnung an das Technologie-Akzeptanz-Modell (Technology Acceptance Model) nach Davis et al. (1989) bzw. Venkatesh und Davis (2000) entscheidend von zwei Variablen ab: der wahrgenommenen Nützlichkeit und der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit (synonym: Bedienerfreundlichkeit, Usability). Im Folgenden wird die Benutzerfreundlichkeit als wichtiger Erfolgsfaktor genauer angeschaut.
Die Benutzerfreundlichkeit misst sich gemäss dem oben erwähnten Technologie-Akzeptanz-Modell am wahrgenommenen Aufwand der Endnutzer:innen für das Erlernen des Umgangs mit der neuen Technologie. Die Benutzerfreundlichkeit hängt von drei teilweise miteinander in Verbindung stehenden Aspekten ab:
Erstens müssen Technologien in ihrer Handhabung den Fähigkeiten der Endnutzer:innen angepasst sein. Diese Fähigkeiten unterscheiden sich aufgrund von altersbedingten Veränderungen (z.B. der Kognition, des Seh- oder Tastsinns) oder von behinderungsbedingten Einschränkungen von den Fähigkeiten jüngerer Nutzergruppen und von Nutzer:innen ohne lebensbegleitender Behinderung. Zweitens hängen diese Fähigkeiten auch von der Technologiebiografie sowie, aber oftmals damit verbunden, vom individuellen Interesse an Technologie ab. Und dabei spielen sozioökonomische Aspekte (z.B. Bildung, Einkommen, Geschlecht) eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Und schliesslich ist, drittens, zu bedenken, dass die Benutzerfreundlichkeit eng mit der Frage verbunden ist, wie gut sich eine Technologie in den gelebten Alltag der Endnutzer:innen integrieren lässt.
Diese Aspekte müssen bei der Entwicklung der Technologien sowie bei der Planung von Praxisprojekten zwingend berücksichtigt werden, damit die Chancen auf die tatsächliche Nutzung der Technologie durch ältere Menschen mit und ohne lebensbegleitende Behinderung steigen. Idealerweise werden iterative Prozesse zum Einbezug von Endnutzer:innen und damit zum Eruieren ihrer Bedürfnisse und Fähigkeiten geplant, und zwar in verschiedenen Entwicklungsphasen des Prototyps bzw. Produkts oder Projekts.
Die Sicherstellung der Benutzerfreundlichkeit ist schliesslich auch eine Querschnittsaufgabe, die bei fast allen Bereichen von Technologieanwendungen für Menschen im Alter mit und ohne lebensbegleitender Behinderung zum Tragen kommen muss, so etwa bei der Planung von Schulungen (Begleitung) (Berücksichtigung Fähigkeiten der Endnutzer:innen) oder der Evaluation (z.B. erfolgt eine sinnvolle Integration der Technologie in den Lebensalltag der Endnutzer:innen).
Good Practice: MakerSpace SELFMADE
Das Projekt und seine Ziele
Oft sind es schon die kleinen Dinge des Alltags, die ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung vor grosse Herausforderungen stellen. Diese Menschen benötigen speziell für ihre Lebenssituation angepasste Hilfsmittel sowie Wege, um autonom, schnell und unkompliziert sowie günstig an diese gelangen zu können. Einer dieser Wege kann der 3D-Druck sein. Dieser ermöglicht es, neue praktische Hilfsmittel zu kreieren oder in den zahlreichen Open-Source-Sammlungen nach bereits bestehenden Produktvorlagen zu suchen und diese individuell anzupassen. Mit 3D-Druckern können die so gestalteten Einzelstücke kostengünstig produziert werden.
Der inklusionsorientierte MakerSpace SELFADE ist ein gemeinsames Projekt der Technischen Universität Dortmund und der AWO Werkstätten Dortmund, das 2017 ins Leben gerufen wurde. Es will Menschen mit Unterstützungsbedarf die Gestaltung individueller Hilfsmittel ermöglichen und verfolgt deshalb unter anderem das Ziel, diesen Menschen einen barrierefreien und ihren Bedürfnissen angepassten Zugang zum 3D-Druck zu verschaffen – kurz: Den 3D-Druck benutzerfreundlich zu machen.
Herausforderung, Herangehensweise und Erfahrung in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit
Der 3D-Druck kann sehr nützlich sein für Menschen, die wegen ihres Alters oder auf Grund einer Beeinträchtigung auf Hilfsmittel angewiesen sind. 3D-Drucker sind jedoch Geräte, die in der Massenproduktion hergestellt werden und bei deren Herstellung (noch) nicht auf die Benutzerfreundlichkeit für Menschen mit Einschränkungen geachtet wird. Auch die Aneignung des nötigen Wissens und das Nutzen der mit dem 3D-Druck verbundenen Programme und Produkt-Datenbanken kann eine Herausforderung darstellen. So besteht die Gefahr, dass genau jene Menschen, für die der 3D-Druck eine grosse Hilfestellung im Alltag bedeuten könnte, diese Technik nicht nutzen können.
Der MakerSpace SELFMADE will die Benutzerfreundlichkeit des 3D-Drucks erhöhen und diese Technologie barrierefrei zugänglich machen. Das Projekt hat deshalb eine Barrierecheckliste für Verantwortliche und Planende erstellt, wie MakerSpaces optimal gestaltet werden können. Die Checkliste enthält einerseits grundlegende Prinzipien von Barrierefreiheit, wie z.B. bauliche Aspekte, geht aber auch ganz konkret auf Barrieren ein, die bei der Nutzung des 3D-Druck-Prozesses auftreten. Sie weist darauf hin, dass benutzerfreundliche Lösungen gefunden werden müssen für die Nutzung der CAD-Software, für die Produktwahl und -Anpassung, die Produktentwicklung und die Nutzung von 3D-Druckern.
Im MakerSpace SELFMADE wird die Barrierecheckliste direkt umgesetzt und mit verschiedenen Massnahmen die Benutzerfreundlichkeit des 3D-Drucks erhöht. Einerseits wurden Anpassungen an den technischen Geräten vorgenommen. So wurden beispielsweise die Drehschalter zur Steuerung des Druckermenüs bei den 3D-Druckgeräten ersetzt durch Ansteuerungsknäufe, die für Menschen mit motorischen Einschränkungen besser zu greifen sind. Andererseits wurden Hilfestellungen für den 3D-Druckprozess entwickelt wie beispielsweise mit Fotos ergänzte Bedienungsanleitungen und Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Und schliesslich wurde ein Supportsystem eingerichtet, wo die Menschen genau diejenige und so viel Unterstützung bekommen, wie sie benötigen, um die Technologie möglichst selbständig nutzen zu können.
Mit diesen und weiteren Massnahmen verringert der MakerSpace SELFMADE die Barrieren für Menschen mit alters- oder behinderungsbedingten Einschränkungen, die den 3D-Druck nutzen möchten, und ist damit den Herstellern der 3D-Druckgeräte und -Software ein Vorbild dafür, wie ihre Angebote benutzerfreundlicher gestaltet werden könnten.
Wichtigste Lessons Learned
- Sind Technologien nicht benutzerfreundlich ausgestaltet, können sie ganzen Menschengruppen die Chance nehmen, ihr Potential zu nutzen.
- Es gibt verschiedenste Massnahmen, mit denen Technologieanbieter die Benutzerfreundlichkeit ihrer Produkte erhöhen können. Neben Anpassungen an der Technologie selbst gehören dazu auch unterstützende Massnahmen wie barrierefreie Anleitungen oder Supportsysteme.
- Hat man es in einem Technologieprojekt versäumt, eine optimale Benutzerfreundlichkeit für Menschen mit alters- oder behinderungsbedingten Einschränkungen herzustellen, sind oft auch nachträglich noch Anpassungen möglich.
Kontakt und weitere Informationen
Henrike Struck
Leiterin des Büros für Unterstützte Kommunikation und des MakerSpace SELFMADE
AWO Werkstätten Dortmund
h.struck@awo-werkstaetten.de
Literaturangaben
- Davis, F. D., Bagozzi, R. P., Warshaw, P. R. (1989). User acceptance of computer technology: a comparison of two theoretical models. In: Management Science 35(8), 982–1003 (verfügbar in Englisch).
- Venkatesh, V., und Davis, F. D. (2000). A Theoretical Extension of the Technology Acceptance Model: Four Longitudinal Field Studies. In: Management Science, 186–204 (verfügbar in Englisch).