03.11.2022

POLITIK | Gewalt in der Erziehung muss gesetzlich verboten werden

Zu viele Kinder erleben heute noch Gewalt in der Erziehung. Individuelles Leid und schädliche gesellschaftliche Folgen sind Konsequenzen davon. Es braucht einen gesellschaftlichen Sinneswandel. YOUVITA und ARTISET unterstützen die gesetzliche Verankerung eines Verbots von Gewalt in der Erziehung.

Laut Bundesrat soll auf eine gesetzliche Verankerung verzichtet werden

Der Bundesrat stellt sich auf den Standpunkt, die aktuell geltenden Gesetze zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt in der Erziehung seien ausreichend. Das hat er in einem entsprechenden Bericht am 19. Oktober 2022 bekräftigt. Er will davon absehen, mit einem Anspruch auf gewaltfreie Erziehung eine eindeutige gesetzliche Grundlage zu schaffen . Es soll lediglich eine «programmatische Norm» im Zivilgesetzbuch aufgenommen werden, die primär bei der Prävention und Sensibilisierung ansetzt.

Motion Buillard-Marbach fordert klaren Schutz der Kinder

Nun hat die Rechtskommission des Ständerats (RK-S) diese Sichtweise diskutiert und auch eine Motion von Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach beraten, die einen gesetzlich verankerten Schutz der Kinder vor körperlicher Bestrafung, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Massnahmen im Rahmen der Erziehung fordert.

Rechtskommission unterstützt die Motion

In Übereinstimmung mit dem Nationalrat hat die RK-S die Motion zur Annahme empfohlen. ARTISET und sein Branchenverband YOUVITA begrüssen diesen Schritt. Sie appellieren an den Ständerat, dem Antrag seiner Kommission zu folgen und dem Bundesrat die Motion Bulliard-Marbach 19.4632 «Gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern» zur Umsetzung zu überweisen.

Eine Realität, die gegen das Recht verstösst

Gemäss einer kürzlich veröffentlichten Studie der Universität Freiburg erlebt jedes zweite Kind in der Schweiz in der Erziehung psychische und/oder physische Gewalt. Kinder haben aber ein Anrecht auf den Schutz ihrer Unversehrtheit. Diese Haltung vertritt auch der UN-Kinderrechtsausschuss, der die Schweiz zuletzt 2021 zum wiederholten Mal aufforderte, die Gewalt in der Erziehung ausdrücklich zu verbieten.

Das Gesetz soll richtungsweisend sein

Aus Sicht von ARTISET und YOUVITA war die Abschaffung des «Züchtigungsrechts» der Eltern im Jahr 1978 ein erster positiver Schritt. Rechtlich ist die Verbannung der körperlichen und psychischen Gewalt in der Erziehung weiterhin zu wenig ersichtlich. Jetzt braucht es eine klare Regel, an der sich die Eltern orientieren können.
 

ARTISET und YOUVITA sind der Auffassung, dass die vom Bundesrat angestrebte Prävention und Sensibilisierung der Bevölkerung gegen Gewalt in der Erziehung notwendig sind. Sie reichen aber nicht aus: Das einstige Züchtigungsrecht, ein Relikt, ist unmissverständlich abzuschaffen – das Recht auf gewaltfreie Erziehung gehört ins Zivilgesetzbuch. 
 

Bericht des Bundesrates vom 19. Oktober 2022 «Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung»

Motion Bulliard-Marbach 19.4632 «Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern»

Universität Freiburg, Resultatebulletin 2/2022, «Häufigkeiten körperlicher Gewalt in der Erziehung»