PSYCHISCHE BELASTUNGEN | Gute Arbeitsbedingungen sind kein Zufall, sondern politischer Wille

17.06.2025 Catherine Bugmann und Christina Zweifel

Mit der Annahme der Pflegeinitiative im November 2021 hat die Schweizer Stimmbevölkerung ein klares Zeichen gesetzt: Pflege soll gestärkt, die Versorgung gesichert und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Heute, bald vier Jahre später, ist klar: Die Umsetzung ist anspruchsvoll. Umso wichtiger ist es, dass die Pflegeheime die notwendigen Rahmenbedingungen mit einer gesicherten Finanzierung und dem erforderlichen Gestaltungsspielraum erhalten, um die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen zu können.

Der Fachkräftemangel ist Realität

Bereits heute fehlen qualifizierte Pflegepersonen. Prognosen zeigen: Der Bedarf wird weiter steigen – insbesondere in der Langzeitpflege, wo der demografische Wandel direkt spürbar ist. Ohne gezielte und nachhaltig finanzierte Massnahmen riskieren wir eine Verschärfung des Mangels. Gute Arbeitsbedingungen sind nicht einfach wünschenswert – sie sind die Voraussetzung dafür, dass Menschen langfristig im Beruf bleiben und junge Menschen sich überhaupt für die Pflege entscheiden.

Ausbildungsoffensive: Umsetzung läuft an

Die erste Umsetzungsetappe der Pflegeinitiative ist mit der sogenannten Ausbildungsoffensive angelaufen. Ziel ist es, mehr Fachpersonen in der Pflege auszubilden und so dem wachsenden Bedarf langfristig zu begegnen. Die Pflegeheime leisten dazu bereits heute einen wichtigen Beitrag: Sie bilden mehr Lernende und Studierende aus als je zuvor. Doch die Umsetzung gestaltet sich in der Praxis unterschiedlich. Die kantonale Ausgestaltung variiert stark – sowohl bei den eingebundenen Berufsabschlüssen als auch bei den Förderinstrumenten. Das erschwert eine koordinierte Wirkung über die gesamte Schweiz hinweg. Die grösste Herausforderung liegt jedoch darin, attraktive Ausbildungsplätze zu schaffen und ausreichend qualifizierte Ausbildnerinnen und Ausbildner zu gewinnen.

Gute Arbeitsbedingungen sind nicht einfach wünschenswert – sie sind die Voraussetzung dafür, dass Menschen langfristig im Beruf bleiben und junge Menschen sich überhaupt für die Pflege entscheiden.

Arbeitsbedingungen: Finanzierung ist offen

Mit der zweiten Etappe der Pflegeinitiative rückt der Kernauftrag der Volksinitiative ins Zentrum: die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegefachpersonen. Im Mai 2024 veröffentlichte der Bundesrat den Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege, der eine Vielzahl regulatorischer Vorgaben enthält – etwa zu Dienstplanung, Arbeitszeitgestaltung und Gesamtarbeitsverträgen. CURAVIVA und ARTISET haben gemeinsam mit den anderen betroffenen Arbeitgeberverbänden Stellung genommen. In der aktuellen Überarbeitung wurden einzelne Punkte angepasst. Doch zentrale Forderungen bleiben weiterhin offen – insbesondere hinsichtlich der Finanzierung und der nötigen betrieblichen Gestaltungsfreiheit.

Massnahmen müssen finanziert werden

Ein zentrales Problem ist nach wie vor ungelöst: Der Bundesrat legt nicht fest, wie die Massnahmen finanziert werden sollen. Pflegeheime bewegen sich im System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP), das sich auf drei Finanzierungsquellen stützt: die OKP selbst, die Restfinanzierer – also Kantone und/oder Gemeinden – sowie die Bewohnerinnen und Bewohner. Werden neue Anforderungen eingeführt, ohne die Finanzierung klar zu regeln, dann besteht für die Institutionen die Gefahr, dass die Kosten nicht vollständig über die Restfinanzierung gedeckt werden und sie diese dann auf die Bewohnenden überwälzen müssen. Das ist weder im Sinne der Pflegeinitiative noch gesellschaftlich vertretbar.

Was es jetzt braucht

Damit die zweite Etappe der Pflegeinitiative Wirkung entfalten kann, fordert Curaviva gemeinsam mit den Partnerverbänden:

• Eine verbindliche und gesicherte Finanzierung aller Massnahmen

• Betrieblicher Spielraum und Verzicht auf unverhältnismässige Regulierung, um Arbeitsmodelle flexibel und sinnvoll gestalten zu können

• Verzicht auf Massnahmen, welche die Arbeitszeit reduzieren und so den Fachkräftemangel in den Institutionen verstärken

• Berücksichtigung der Interdisziplinarität in den Heimen und der realen Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege

Gemeinsam statt gegeneinander

Die Herausforderungen sind real: Es geht um die Sicherstellung einer qualitativ guten Pflege und einer verlässlichen Versorgung der älteren Bevölkerung – heute und in Zukunft. Der demografische Wandel, der zunehmende Fachkräftemangel und die steigenden Anforderungen im Pflegealltag zeigen, wie wichtig zukunftsfähige gesetzliche Rahmenbedingungen für die Institutionen sind.

Die Pflegeinitiative war ein starkes Signal. CURAVIVA engagiert sich mit Nachdruck dafür, dass die zweite Etappe nicht zur verpassten Chance wird. Gute Pflege gelingt nur mit motivierten Fachpersonen – und diese bleiben, wenn sie ihre Arbeitsbedingungen gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber mitgestalten können, ihre Arbeit wertgeschätzt wird und sie fair entlöhnt sind. Jetzt braucht es die politische Arbeit, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Catherine Bugmann ist Projektleiterin Politik ARTISET und Christina Zweifel ist Geschäftsführerin CURAVIVA und Geschäftsleitungsmitglied ARTISET.


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