Eine neue Schlüsselrolle an der Schnittstelle zwischen Pflege und Infektionsprävention

17.06.2025 Interview: Reka Schweighoffer

ARTISET Weiterbildung entwickelt die erste Link-Nurse-Weiterbildung in Infektionsprävention und -kontrolle (IPC) für Alters- und Pflegeheime. Angeboten wird diese erstmals im Herbst 2025. Ziele und Inhalte erläutern im Interview Isabell Liewald, Lehrgangsleiterin und Bildungsbeauftragte bei ARTISET Weiterbildung, und Ursula Arn, Leiterin Personal- und Berufsentwicklung Alter von ARTISET.

Was war der Auslöser für die Entwicklung einer spezifischen Link-Nurse-Weiterbildung für Alters- und Pflegeheime?

Isabell Liewald: Der Impuls kam einerseits durch den Aktionsplan NOSO des BAG, der sich klar für eine systematische Integration von Infektionsprävention und -kontrolle (IPC) in Pflegeheimen ausspricht. Das stellt einige Institutionen vor neue Aufgaben. Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren aus der Praxis vermehrt Rückmeldungen erhalten, dass es an klaren Rollenprofilen und praxisnaher Aus- und Weiterbildung im Bereich IPC speziell für die Langzeitpflege fehlt. Die Rolle der Link-Nurse bietet hier grosses Potenzial: Sie bündelt Wissen und trägt es in die Teams der Pflegeheime hinein.

Ursula Arn: Seit der Covid-Pandemie hat sich das Bewusstsein dafür, die Bewohnenden und die Mitarbeitenden zu schützen, verstärkt. Fachliche Unterstützung ist zentral, aber nicht alle Institutionen können sich eine Fachperson mit einer höheren Fachprüfung in Infektionsprävention leisten. Die neue Link-Nurse-Weiterbildung grenzt sich klar davon ab. Sie qualifiziert für eine Schlüsselrolle in der IPC, ohne auf eidgenössischer Stufe angesiedelt zu sein.

 

Welche Funktion sollen Link-Nurses im Pflegeheim künftig übernehmen?

Liewald: Link-Nurses arbeiten an der Schnittstelle zwischen Pflegealltag und IPC-Fachwissen. Sie erkennen Risiken, initiieren Präventionsmassnahmen, schulen Kolleginnen und Kollegen und fördern eine IPC-Kultur in der Institution. Sie unterstützen durch Coaching die fachliche Entwicklung der Teams in Bezug auf Infektionsprävention – eine Aufgabe mit viel Wirkungspotenzial. Als Multiplikatoren stehen sie zudem im engen Austausch mit der Institutionsleitung, mit Fachpersonen für Infektionsprävention, Link-Nurses aus anderen Pflegeheimen oder dem kantonalen Gesundheitsamt.

«Link-Nurses unterstützen durch Coaching die fachliche Entwicklung der Teams in Bezug auf Infektionsprävention.» Isabell Liewald, Bildungsbeauftragte ARTISET Weiterbildung

Wie ist die Weiterbildung aufgebaut und welche Schwerpunkte setzt sie?

Liewald: Die Weiterbildung ist stark praxisorientiert und umfasst sechs Kurstage im Basiskurs. Ergänzend gibt es optionale eintägige Aufbaukurstage für Institutionen für Menschen mit Behinderungen sowie für Fachpersonen aus Kinder- und Jugend-Einrichtungen. Thematische Schwerpunkte sind unter anderem die Grundlagen nosokomialer Infektionen, Hygienestandards und rechtliche Vorgaben, IPC im interprofessionellen Kontext sowie die Datenerhebung zur Überwachung und Steuerung von Hygienemassnahmen.

Arn: Der grosse Praxisbezug zur Langzeitpflege hebt uns von anderen Angeboten ab. Neu ist auch die gezielte Vertiefung für die anderen Fachbereiche. Zudem sprechen wir bewusst alle Arbeitsbereiche eines Pflegeheims in der Weiterbildung an, von der Pflege über die Hotellerie bis zum technischen Dienst. Denn Infektionsprävention ist Teamarbeit und gelingt nur, wenn alle mitwirken.

 

Wen möchten Sie mit dem Angebot ansprechen?

Liewald: Die Weiterbildung richtet sich an Fachpersonen auf Sekundär- und Tertiärstufe. Angesprochen sind unter anderem Fachpersonen Gesundheit, Fachpersonen Betreuung, Pflegefachpersonen HF und FH sowie Mitarbeitende im Bereich Betriebsunterhalt, Hauswirtschaft und Hotellerie.

«Die neue Weiterbildung bietet interessierten Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und mehr Verantwortung im Betrieb zu übernehmen.» Ursula Arn, Leiterin Personal- und Berufsentwicklung Alter von ARTISET

Wie kann die Link-Nurse-Rolle in den Heimen organisatorisch verankert werden?

Liewald: Wichtig ist eine klare Aufgabenbeschreibung und organisatorische Einbindung – idealerweise erscheint die Rolle im Organigramm. In Institutionen, die noch keine Hygiene-beauftragte Person einsetzen, kann die Link-Nurse einer bestehenden Stabsstelle wie der Pflegedienstleitung oder der Qualitätsverantwortlichen unterstellt werden. So wird eine klare fachliche Anbindung gewährleistet.

Arn: Die Rolle sollte mit Weisungsbefugnissen und entsprechender Lohnanpassung ausgestattet werden – und mit klaren Zeitkontingenten, damit sie die vielfältigen Aufgaben auch ausführen kann. Die neue Weiterbildung bietet interessierten Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich gezielt weiterzuentwickeln und mehr Verantwortung im Betrieb zu übernehmen – ein attraktiver Karriere­schritt im Sinne der Personalentwicklung.

 

Was erhoffen Sie sich langfristig von gut ausgebildeten Link-Nurses?

Liewald: Wir möchten weg von punktuellen Hygienekampagnen und hin zu einer gelebten IPC-Kultur im Alltag. Link-Nurses können tragende Figuren dieser Entwicklung sein, indem sie Sicherheit fördern, Reflexionsprozesse anstossen und nachhaltige Verhaltensänderungen ermöglichen. Langfristig steigert sich dadurch die Lebensqualität der Bewohnenden. Infektionsrisiken werden minimiert, Ausbrüche verkürzt und Ressourcen geschont. Gut geschulte Link-Nurses verbessern die Pflegequalität und leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Bewohnenden und der Mitarbeitenden.

 

Wie geht es mit dem Angebot weiter?

Liewald: Der erste Kurs startet im Herbst 2025. Geplant ist, diesen künftig zweimal jährlich anzubieten. In Zukunft wäre es denkbar, die Weiterbildung auch auf Französisch anzubieten. Nach der ersten Durchführung evaluieren wir Wirkung und Akzeptanz.


Fotos: zvg